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«Den Musik-Flatrates gehört die Zukunft»

July 17, 2009 (updated on October 24, 2009)

Medienfuturist Gerd Leonhard plädiert für einen Neustart im Musikgeschäft.

Von David Bauer und Barnaby Skinner

Medium: SonntagsZeitung
Ressort: Multimedia
Datum: 22.03.2009

Das Web hat die Musikbranche auf den Kopf gestellt. Sie sehen Parallelen zum Radio vor 100 Jahren. Welche?
Das Radio war in den ersten zwanzig Jahren auch illegal. Die Rechteinhaber wehrten sich dagegen, dass ihre Musik kostenlos verbreitet wird. Fakt war aber: Alle haben hingehört. Mit staatlichem Druck wurden schliesslich Lizenzen eingeführt, die Künstler proportional entlöhnten, wenn ihre Musik im Radio gespielt wurde. Die exakt gleiche Situation haben wir heute im Internet – nur fehlen geeignete Lizenzen.

Diese fehlen, weil sich die Musiklabels quer stellen.
Die ganze Musikwirtschaft ist von Monopolen und Kartellen geprägt, von den Rechteinhabern und Verwertern bis zu den Studios. Man blockiert, weil man glaubt, ein Vielfaches verdienen zu können. Aber wer im Internet alles kontrollieren will, ist auf dem Holzweg. Das Musikökosystem ist wie eine alte, marode Ehe. Wir brauchen einen Neustart, ein Pflästerchen reicht nicht.

Wo wollen Sie ansetzen?
Musik im Netz wird legal und gratis sein. Flatrates gehören die Zukunft. Bald wird jeder ein monatliches Abo lösen und hat dann im Internet Zugriff auf alle Songs, die jemals geschrieben wurden. Heute müssen Musiker und ihre Vertreter zu jeder Internetnutzung ihr Einverständnis geben. Das ist viel zu kompliziert. Mit einer kollektiven Lizenz, analog zur Rundfunklizenz, könnte jeder Musik anbieten, solange er die Urheber proportional dafür entlöhnt. Es geht also nicht darum, das Urheberrecht auszuhebeln, sondern es anders anzuwenden.

Wie viel könnte so was kosten?
Gehen wir mal von einer Abgabe von einem Euro pro Woche aus. Damit liesse sich in Europa mehr Geld verdienen, als die Musikindustrie heute umsetzt.

Wer bezahlt diesen Euro?
Es wird verschiedene Modelle geben, je nach Land und Kultur. Eine Möglichkeit ist, dass Internetprovider den Zugang zur Musik in ihr Angebot einschliessen. So könnten Anbieter Kunden binden. Der Konzern TDC in Dänemark macht das bereits. Nokia hat auch ein Musikabo: Die Finnen machen ihre Handys attraktiver, indem sie einen Flatrate-Service mitliefern, mit dem man gratis unlimitiert Songs herunterladen kann. Möglich ist auch das Google-Modell: Parallel zum Musikkonsum würde auf mich zugeschnittene Werbung angezeigt. Schliesslich wäre denkbar, dass es analog zur Fernseh- und Rundfunkgebühr eine fixe Musikgebühr gäbe.

Eine Art Musik-Billag?
Die Billag ist schon sehr teuer, die könnten Musik ruhig mitliefern.

Wie werden Künstler bezahlt?
Software, um auszuwerten, welche Songs im Internet wie oft gehört oder heruntergeladen werden, ist bereits vorhanden.

Aber wer sammelt das Geld ein und verteilt es wieder?
Das könnte in der Schweiz die Verwertungsgesellschaft Suisa tun. Es gibt auch Startups wie Royaltyshare.com, die bereit wären, diese Rolle gegen eine geringe Provision wahrzunehmen.

Warum sollte plötzlich funktionieren, was jahrelang blockiert wurde?
Die Haltung, nicht mitzumachen, ist eine theoretische. Im Web bekommt der Konsument früher oder später, was er will. Wer nicht mitmacht, verdient keinen Rappen. Google bietet in China die Musik von 30 000 chinesischen Künstlern kostenlos an und vergütet die Künstler direkt. Die Verwertungsgesellschaften und Labels bleiben aussen vor.

Trotzdem bleiben Labels stur.
Ohne politischen Druck wird wenig passieren. Der Staat muss eingreifen und die Akteure vor die Wahl stellen: Entweder ihr findet eine Lösung, Musik im Web zu legalisieren – oder der Staat entwirft selber Gesetze dafür.

Nokia hat sich mit Labels für ihren Musikdienst geeinigt.
Das Angebot ist bestechend. Das Problem ist, dass Nokia im Moment der einzige Zahler ist. Pro Jahr fallen früher oder später – nach meinen Berechnungen – rund 2 Milliarden Dollar an Gebühren an.

Das heisst, das Modell ist zum Scheitern verurteilt?
Nokia lanciert das als Marketingmassnahme. Denkbar, dass sie das Angebot später zusammen mit Anbietern wie Swisscom und Sunrise weiter entwickeln.

Was bedeutet die neue Musikwelt für die Künstler?
Auf allen Kanälen müssen sich Künstler gegen Abertausende anderer Angebote behaupten. Unter dem Strich schaut für den Musiker mehr heraus, weil er automatisch entlöhnt wird. Heute ist es als Band unmöglich, Geld zu verdienen, wenn ihr Video 500 000-mal bei Youtube gespielt wird.

Was hat der Musik-Fan davon?
Es wird fantastisch. Immer mehr, immer billiger, immer besser.

Berater der BBC
Gerd Leonhard, 48, ist ehemaliger Jazz-Gitarrist. Seine zweite Karriere begann er als Gründer des US-Start-up Licensemusic.com. Heute berät er Medienunternehmen wie die BBC oder Sony. Leonhard ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Basel.

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